Dienstag, 26. März 2013

Anti-Stress-Verordnung?

Die Presse hat mehrfach berichtet, es gebe Stimmen für eine Anti-Stress-Verordnung:

Die IG Metall und entsprechend auch die SPD wollen eine Anti-Stress-Verordnung.
Der Kern: Wenn man den #Stress verringert, dann bleiben ArbeitnehmerInnen auch gesund.

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/anti-stress-verordnung-der-ig-metall-regelt-belastung-am-arbeitsplatz-a-841270.html

http://www.zeit.de/karriere/2013-01/anti-stress-verordnung-spd

nmb - arbeitsrecht - Kommentar:

Nette Idee.

Aber ob das hilft?

Es mag sich nett und fortschrittlich anhören, nicht immer und überall übers Smartphone erreichbar zu sein, weil das für Arbeitnehmer zuviel Stress bedeute. Aber die eigentlichen psychischen Belastungen des Arbeitslebens sind damit noch nicht erfasst.

Hinsichtlich der Frage von Stress durch Anforderungen des modernen Arbeitslebens muss man sich politisch auch den Hinweis gefallen lassen, dass die abnehmende Qualität der schulischen Ausbildung und zum Teil auch der Berufsausbildung natürlich in logischer Konsequenz dazu führt, dass die Anforderungen des modernen Arbeitslebens für die ArbeitnehmerInnen "zuviel" sind.
Leider muss man eben doch sagen, dass ein Schul- oder Studienabschluss nicht auf Facebook erworben werden kann, sondern dass dafür wenigstens etwas Leistung erforderlich ist, wenngleich Absolventen heute dennoch immer weniger können.
Das bedeutet nicht, dass - vorwiegend junge - Menschen heute nicht mehr lernen wollen, sondern dass ihnen viele Inhalte nicht mehr beigebracht werden, schon in der Schule nicht mehr. Das setzt sich in logischer Konsequenz leider zwingend ins Berufsleben fort.

Der weitere "Haken" der Anti-Stress-Verordnungsidee: Woher kommt der "Stress"? Die genaue Analyse dieser Frage im Falle jedes einzelnen Arbeitnehmers und jeder einzelnen Arbeitnehmerin im konkreten Fall müsste zunächst sehr gründlich durchgeführt werden.
Um diese Frage richtig und umfassend zu beantworten, müsste man jede/n Einzelne/n also zum Mediziner und Psychologen oder Psychiater schicken, um umfassende Tests durchzuführen. Dann wäre eine Anpassung jedes einzelnen Arbeitsplatzes mit einem Minimum an "Stress" möglich.
Das ist aber nicht vorgesehen.
Und wer das bezahlen sollte, darüber hat sich auch mal wieder niemand Gedanken gemacht. Politische Forderungen sind so schön, wenn man (1.) nicht weiß, ob sie jemals auch nur ansatzweise umgesetzt werden und (2.) bestellen kann, aber nicht bezahlen muss.

Aus meinen langjährigen wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen mit der Arbeitswelt, insbesondere mit dem Thema #Mobbing ist, dass die psychischen Belastungen, die bei den ArbeitnehmerInnen tief sitzende Wunden und entsprechende "seelische Narben" hinterlassen, letztlich von niemandem angegangen werden.
Das soll die Rechtsprechung richten.
Schade.

Dabei hat übrigens niemand bedacht, dass die Rechtsprechung zwar für die Anwendung von Gesetzen zuständig ist, nicht aber für das Schaffen entsprechender Regelungen, die die Probleme des Lebens erfassen. Dafür ist noch immer der Gesetzgeber zuständig.
Und entscheidende Regelungen wurden - egal wie sich die politischen Mehrheiten verteilt haben - leider noch nicht getroffen.

Das alles ist nicht nur traurig für Betroffene, es ist auch volkswirtschaftlich bedauerlich. 

Die Begriffe "Stress" und "Mobbing" mögen bisweilen inflationär benutzt werden, natürlich völlig unscharf. Jede/r versteht darunter, was er/sie darunter verstehen will.

Und vergessen wird auch regelmäßig, dass "Stress" und "Mobbing" zwar Arbeitnehmerthemen sind, aber eben nicht nur. Es sind auch sehr wichtige "Arbeitgeberthemen".

Ansatzpunkte für die Erfassung von Belastungen im Arbeitsleben bietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Aber es reicht nicht.

Denkt man an die Volkswirtschaft und unser Sozialversicherungssystem, dann wäre ein Umdenken angebracht, nämlich hin dazu, interdisziplinäre Erkenntnisse zu berücksichtigen und die Rechtslage der Realität anzupassen.
An diesem Punkt sollte es nicht um Wahlkampfreden und Stimmenfang gehen, sondern darum, Lösungen zu finden und umzusetzen, nämlich Regelungen, die als Basis für die Arbeit der Rechtsanwender dienen können.



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