Mittwoch, 12. September 2012

Benachteiligung / Diskriminierung auch ohne Entscheidung möglich

Ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz / eine Benachteiligung / eine Diskriminierung kann auch vorliegen, wenn der Arbeitgeber keine Personalentscheidung für oder gegen eine bestimmte Person getroffen hat.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich, am 23. August 2012, entschieden, dass möglicherweise trotz der Tatsache, dass niemand eingestellt wurde, eine Benachteiligung vorliegen kann.

Der Fall: Ein Arbeitgeber hat in seiner Stellenausschreibung zwei Mitarbeiter zwischen 25 und 35 Jahren gesucht. Der Kläger, der sich beworben hat, aber nicht eingestellt wurde, ist 1956 geboren. Er hat auf Entschädigung wegen einer Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geklagt. Das Landesarbeitsgericht hatte entschieden, dass keine Benachteiligung vorliegt, weil der Arbeitgeber niemanden eingestellt hat, also auch keine jüngeren Bewerber zum Zuge kamen. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Altersdiskriminierung deshalb nicht automatisch unterblieben ist (Aktenzeichen des Urteils: 8 AZR 285/11). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg muss jetzt erneut über die Sache entscheiden.  

Verwunderlich?
Aus anwaltlicher / juritischer Sicht für die einen ja, für die anderen nein. Die Frage dabei ist, ob man eine Benachteiligung quasi nur bei positivem Tun oder aber auch bei Unterlassen annehmen möchte, d.h. ob man zwei Kehrseiten einer Medaille verlangt, also ein Tun (z.B. Einstellung eines Bewerbers), dessen Ausfluss und Kehrseite das Unterlassen ist (entsprechend Nichteinstellung eines anderen Bewerbers), oder ob man kein solches Tun, keine Entscheidung verlangt, wie es das Bundesarbeitsgericht gesehen hat. Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist nur logisch, denn tatsächlich bleibt ein Bewerber nicht nur dann außen vor, wenn andere eingestellt werden, sondern auch, wenn gar niemand eingestellt wird.

Es ist spätestens jetzt klar, dass das Landesarbeitsgericht nicht daran vorbeikommt, den Fall im Detail zu würdigen.

Fazit für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Auch wenn "nichts" passiert, kann der Sachverhalt rechtlich relevant sein.